Individuelle Förderung in der Gemeinschaft: Förderkonzept der Hildegardis-Schule

1. Grundlage und Ziel unseres Förderkonzepts

Wir sind an unserer Schule dem Schulgesetz verpflichtet, verfolgen aber zugleich den Bildungs- und Erziehungsanspruch des Leitbildes für die Schulen unseres Schulträgers. Daher lassen sich Grundlage und Ziel des Konzepts der individuellen Förderung an der Hildegardis-Schule so zusammenfassen:

Erstens:
Mittelpunkt, Ziel und Sinn der individuellen Förderung an der Hildegardis-Schule ist die Entfaltung der Person des einzelnen Lernenden in der Gemeinschaft mit anderen Lernenden. Damit folgen wir dem christlichen Menschenbild und stehen im Einklang mit unserem gesetzlichen Auftrag.

Zweitens:
Wir fördern einen ganzheitlichen Bildungsanspruch und beziehen uns auf ein integratives Begabungsmodell. (Münchner Begabungsmodell)

Drittens:
Unser Förderkonzept ist ein inklusives. Es richtet sich an die gesamte Schülerschaft, nicht nur an bestimmte Gruppen - etwa die der besonders Leistungsstarken und die der Leistungsschwächeren -, und damit an jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler.
 

2. Das Konzept in der Praxis: Aufbau und Ablauf der Förderpraxis

Die folgende Darstellung zeigt linear den Aufbau unserer Fördertätigkeit, lässt sich aber auch spiralförmig als Ablauf lesen, d. h., vom Ende her (Dokumentation) auf der nächsthöheren Ebene zum Anfang zurückkehrend.

2.1    Diagnose und Beratung

Lernstandsmessung (Klassenarbeiten und Klausuren, Tests, Hausaufgaben, Beiträge im Rahmen der ‚Sonstigen Mitarbeit’, zentrale Prüfungen: Lernstandserhebungen, zentrale Klausuren am Ende der Einführungsphase)

Wahrnehmung besonderer Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler (bes. im Blick auf deren Fach- und Methodenkompetenz, Arbeitsverhalten, Sozialkompetenz und Selbstständigkeit (Motivation, Selbststeuerung);(s.a.: Rolle des institutionalisierten Schülerfeedbacks)

Erkundung von Ursachen, Unterstützungsbedarf und Unterstützungsmöglichkeiten bei auftretenden Schwierigkeiten im Blick auf die persönliche Entwicklung und/oder bei Lern- und Leistungsproblemen

Beratung in Fragen des Lernstandes und des Lernfortschritts, der Schullaufbahn und der (zunächst schulbezogenen) Persönlichkeitsentwicklung

Einzelfallbezogene Gespräche:

  • individuell vereinbarte Beratungsgespräche zu bestimmten Fragen oder Problemen
  • Beratungsgespräche in Sci-Vi-Stunden
  • pädagogische Konferenz
  • „Förderkonferenz“
  • Halbjahreszeugniskonferenz als „Förderkonferenz“ (auch als Ort zur Festlegung einer Maßnahme der „Intensivförderung“)
  • Gespräch am Runden Tisch
  • „Lernberatung“ für Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe (Schwerpunkt: Jg. 7)

 

Information ganzer Jahrgänge (Schüler/innen und deren Eltern)  bei anstehenden Entscheidungen:

  • zur Schullaufbahn
  • zur Wahl bestimmter Fördermaßnahmen
  • zu Auslandsaufenthalten
  • zur Studien- und Berufswahl
  • zu Fragen der Abschlüsse und Übergänge innerhalb des Schulsystems

 

‚Tag der offenen Tür’ für die Schülerinnen und Schüler der jeweils  kommenden Jahrgänge 5 und E (10) und deren Eltern
 

2.2   Unterrichtlicher Umgang mit der Vielfalt der Schülerinnen und Schüler (Heterogenität) und mit deren Stärken und Schwächen  (Formen der inneren und äußeren Differenzierung)

Motto: „Stärken stärken, Schwächen überwinden“

Phasierung des Unterrichts in allen Jahrgängen (gemeinsame Basisstunden, Phasen kooperativen Lernens, Phasen individualisierten Lernens)

SEVO (Individualisierung von Lernprozessen und Formaten der Leistungsüberprüfung in der Sekundarstufe II) (s. gesonderte Darstellung dieses Schulentwicklungsvorhabens)

Institutionalisiertes Schülerfeedback

Vielfalt in der kompetenzorientierten Aufgabenstellung in allen Jahrgängen (mit Wahlmöglichkeiten, etwa  im Blick auf Schwierigkeit, Aufgabentyp, Arbeitsmethode, Tempo, Umfang, Neuigkeits- bzw. Wiederholungsgrad, Mediennutzung)

Anwendung unterschiedlicher Sozialformen

Durchführung von Drehtürmaßnahmen (Standardformen und Doppelbelegung Latein/Französisch)

Differenziertes Angebot im Wahlpflichtbereich II:

Französisch, Spanisch, KuMuLi (Kunst-Musik-Literatur), TOM („Times old and modern“: bilinguales Angebot Englisch-Geschichte)

 „IFo“ (Informatik mit Forschen)

Möglichkeit selbstständigen Arbeitens im „Selbstlernzentrum“ (mit Computern ausgestatteter Stillarbeitsraum für Schülerinnen und Schüler)

Möglichkeit der Vorversetzung („Überspringen“)

(Begleitung und Unterstützung)   

Besondere Kurse und weitere Maßnahmen zur Unterstützung des sicheren Schulformwechsels ehemaliger Realschülerinnen und Realschüler in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik und Spanisch

Unterrichtsgänge und Exkursionen zu Lernorten außerhalb der Schule

 

2.3 Fördermaßnahmen zur Überwindung von Schwächen

Hausaufgabenbetreuung (Jahrgänge 5/6; im Einzelfall auch später)

Ganzjährige wöchentliche Trainingsstunden (Jgg. 5-9) in den Fächern Deutsch (Jg. 5) sowie – ab Jahrgang 6 –  Mathematik, Englisch und der zweiten Fremdsprache zur Wiederholung und Festigung von Fachkompetenz und zur Vorbeugung gegen die Gefahr der Nicht-Versetzung

Die ganzjährigen Trainingsstunden Deutsch in Jahrgang 5 verstehen sich als ein Instrument zur Sprachförderung. Ein Schwerpunktziel dieses Unterrichts ist die Stärkung der Rechtschreibkompetenz. Das diagnostische Instrument zur Ermittlung der Teilnehmer ist ein einheitlicher Test im gesamten Jahrgang 5 in der dritten Woche des Schuljahres. Über Sinn und Durchführung dieses Tests werden die Erziehungsberechtigten vorab schriftlich informiert. Nach erfolgter Auswertung des Tests erhalten die Eltern aller Schülerinnen und Schüler mit erkennbarem Förderbedarf eine telefonische Mitteilung und Einladung ihrer Kinder zur Teilnahme an den Trainingsstunden.

Für die Teilnahme an den Trainingsstunden der Jahrgänge 6 bis 9  in den Fächern Mathematik, Englisch, Latein (ab Jg. 6) und Französisch (ab Jg. 6)

Die Trainingsstunden finden in Kleingruppen am Nachmittag statt. Sie sind im Klassenstundenplan ausgewiesen und stehen allen Schülerinnen und Schülern des jeweiligen Jahrgangs offen.

Die – geringe -  Zahl der Nichtversetzungen an der Hildegardis-Schule lässt sich durchaus als ein Indikator für den Erfolg der Trainingsstunden deuten.        

Ergänzende wöchentliche Unterrichtsstunde im Klassenverband in den Fächern  Englisch und Mathematik (Jgg. 5/6) sowie in der zweiten Fremdsprache in Jahrgang 8.

 

2.4 Angebote zur Förderung besonderer Begabungen und Interessen

    • Doppelbelegung Latein/Französisch (Sonderform des Drehtürmodells)
    • AGs im naturwissenschaftlichen, sportlichen, musisch-künstlerisch-sprachlichen und sozialen Bereich, z.B.
      • Aquaristik-AG, Umwelt-Wettbewerbe, Volleyball-AGs, Orchester,  Kunst-Atelier, Französisch DELF, Cambridge Certificate, Patengemeinschaft, Rechtskunde,...
    • MINT-Veranstaltungen (aus dem Angebot der MINT-EC-Schulen)
    • SFS:  AGs von Schülern für Schüler; zum Beispiel: Schach, Zeichnen, Pop-up (Musicals), Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik, Physik.
      • Die SFS-AGs sind das Ergebnis einer Kooperation des Koordinationsbereiches ‚Fördermaßnahmen’ mit der SV und können Angebote aus dem Bereich der Schulfächer, aber auch aus dem Hobbybereich enthalten. Leiter/innen der AGs sind Schüler/innen ab der Jahrgangsstufe 9.
    • Wettbewerbe und Schülerolympiaden
    • Deutsche Schüler-Akademie
      • (fast) alljährliche Teilnahme unserer Schule durch eine Schülerin oder einen Schüler der Jahrgangsstufe E oder Q1; Auswahl des immer sehr anspruchsvollen, etwa auf Proseminarniveau liegenden Wissenschaftsgebietes und Arbeitsbereiches durch den Teilnehmer/die Teilnehmerin selbst)
    • Junior-Akademie
      • (fast) alljährliche Teilnahme einer Schülerin oder eines Schülers (gelegentlich sogar mehrerer) der Jahrgangsstufe 9; Auswahl des naturwissenschaftlichen Schwerpunktthemas und der Seminarsprache (Deutsch oder Englisch) durch den Jugendlichen selbst
    • Campus-Akademie Schwerte
      • alljährliche Information, Beratung und Teilnahme von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 12 an der Campus-Akademie Schwerte, einer lebenswegorientierenden Exzellenz-Initiative des Erzbistums Paderborn; Einbindung der Vorjahresteilnehmer(innen) in die Information und Beratung
    • Oberstufenakademie Königsmünster in Meschede
    • Kooperation mit verschiedenen  Universitäten, bes. Dortmund und Bochum, zur Entsendung einzelner Schülerinnen und Schüler in die Schüler-Uni oder einzelne Seminare, Vorlesungen und Ferienkurse
    • KAS
      • regelmäßige Teilnahme einzelner Schülerinnen und Schüler an Seminaren der Konrad-Adenauer-Stiftung
    • Schüleraustausch: Unterstützung der Schülerinnen und Schüler (und deren Eltern) im Blick auf Auslandsaufenthalte
    • Austauschprogramme mit unseren Partnerschulen in Frankreich, England, den USA und Spanien
    • Begabtenförderungswerke: Beratung und Unterstützung bei der Kandidatur für Stipendien (im Anschluss an das Abitur)



 

2.5 Förderung von Mädchen und Jungen

Die Unterrichts- und Erziehungspraxis an der Hildegardis-Schule orientiert sich an dem Konzept der „reflexiven Koedukation“.

Ende der 80er Jahre hat sich der damalige Schulträger entschlossen, das Mädchengymnasium in eine koedukative Schule zu überführen. Seit dieser Zeit gilt das Ziel und das Prinzip der ,reflexiven Koedukation“,  das Miteinander der Geschlechter bewusst zu gestalten (Maria Anna Kreienbaum).

Die Vertreterinnen und Vertreter dieses Konzepts betonen, dass der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern die Regel sein soll. Das schließt keineswegs aus, dass geschlechtsspezifische Eigenarten von Jungen und Mädchen im Unterricht angemessen Berücksichtigung finden und im Einzelfall auch getrennte Angebote gemacht werden.

Besonders in den MINT-Fächern haben sich die Fachschaften wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, wie den tatsächlich oder vermeintlich unterschiedlichen Interessen und Zugangsweisen von Jungen und Mädchen Rechnung getragen werden könne. Als MINT-EC-Schule hat die Hildegardis-Schule auf diesem Feld bereits konkrete Vorschläge für die Unterrichtsplanung und -gestaltung gemacht und praktiziert. Als ein Indikator für die Praxistauglichkeit jener Bemühungen mag gesehen werden, dass die Hildegardis-Schule schon seit vielen Jahren und regelmäßig einen Leistungskurs Physik anbietet und dieser – entgegen manchen traditionellen Klischeevorstellungen - von einer hohen Zahl auch von Schülerinnen gewählt wird. (Näheres hierzu im Zusammenhang mit MINT).

Auch das Konzept der Sci-Vi-Stunde (Näheres siehe dort) integriert Fragen der Geschlechterunterschiede und sieht die Möglichkeit vor, in einigen Jahrgangsstufen – besonders in der Mittelstufe – phasenweise und themenabhängig Jungen und Mädchen getrennt zu beraten, zu unterrichten und zu erziehen.

Und schließlich leisten die Schülerinnen und Schüler auch selbst durch ihr Wahlverhalten in den Wahlpflichtbereichen der Sekundarstufe I sowie durch ihre Fächerwahl in der Sekundarstufe II indirekt einen Beitrag zu den Fragen, ob es „jungentypische“ und „mädchentypische“ Fächer gibt und wie und warum die Antworten darauf sich wandeln können.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Frage der Koedukation in die allgemeine Zielsetzung des  Förderkonzepts der Hildegardis-Schule eingeordnet ist: „Individuelle Förderung in der Gemeinschaft“.  Das bedeutet, dass die Unterrichts- und Erziehungspraxis darauf abzielt, den einzelnen jungen Menschen in der Gemeinschaft zu fördern. Gruppenspezifische Fragen wie die der unterschiedlichen Geschlechter werden zur Vermeidung unreflektierter Zuschreibungen, Festschreibungen und Vorurteile durchgängig bedacht, jedoch nicht mit feststehenden strukturellen Maßnahmen  beantwortet.
 

2.6 Weitere schulische Handlungsfelder zur Persönlichkeitsbildung und zur Förderung der Schulgemeinschaft

      • Schulpastoral
      • Kennenlernfahrt der Klassen 5
      • SV-Arbeit
      • Sci-Vi-Stunden
      • Patenarbeit
      • Schulfahrten
      • Studien- & Berufswahlvorbereitung
      • Streitschlichtung

 

2.7    Dokumentation der Wahl und der Wirksamkeit von Maßnahmen individueller Förderung

Studientage und Arbeitsgruppen zur Weiterentwicklung unserer Schule

Dokumentation individuellen Lernfortschritts und Förderbedarfs im Unterricht, auf Zeugnissen und Zertifikaten, in Lernstandserhebungen und zentralen Prüfungen sowie ggf. in Förderplänen und in den Protokollen zur Intensivförderung; Gelegenheit zur anschließenden Nutzung für die  individuelle Förderung im Förder- und Regelunterricht

Systematische Dokumentation der Teilnahme an allen zusätzlichen Lernveranstaltungen und besonderen Fördermaßnahmen

                      

3. Fazit und Ausblick

Damit die Schülerinnen und Schüler sich möglichst gründlich und vielseitig bilden und dabei individuell gefördert werden können, ist tägliche Anstrengung im Sinne der Umsetzung und Weiterentwicklung des Förderkonzepts erforderlich.

Die Arbeitsgruppen zur Schulentwicklung sind dabei, Vorschläge zur weiteren Konkretisierung und prozessualen Verfolgung der eingangs genannten Ziele zu erarbeiten.

Impulse hat in diesem Zusammenhang auch die Teilnahme der Hildegardis-Schule an dem dreijährigen Projekt „Hochbegabtenförderung NRW“ gesetzt, das vom Schulministerium zusammen mit der Karg-Stiftung  durchgeführt und im Herbst 2015 abgeschlossen wurde. Seit Beginn des laufenden  Schuljahres nun bildet unsere Schule zusammen mit zwei weiteren Gymnasien des Landes unter dem Dach der Zukunftsschulen NRW ein neues Netzwerk, das an die im „Karg-Projekt“ geleistete Arbeit zur Begabtenförderung thematisch anknüpft. Das Ziel des gerade gegründeten Netzwerks ist es, der Begabungsförderung neue Wege zu eröffnen.

Standen für die Gestaltung bewusst begabungsfördernder Lehr- und Lernprozesse bisher vor allem der binnendifferenzierende Pflichtunterricht und eine große Zahl fakultativer Ergänzungen zum obligatorischen Unterricht zur Verfügung, so ist es der Zweck des neuen Netzwerks, zusätzlich zu diesen beiden Möglichkeiten weitere, andere Wege zu bahnen und Verfahren zu entwickeln, die geeignet erscheinen, auf integrative Weise die Begabungen aller Schülerinnen und Schüler anzusprechen und wirksam zu fördern.

Silke Kuchenbecker
August 2023