Individualisierung in der Mittelstufe
Der Auftrag
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Alle Lernenden haben Stärken und Schwächen. Daher sind alle mit ihren je eigenen Begabungen und Defiziten aufmerksam zu fördern und zu fordern. Schwächere Lernende und Lernende mit Behinderungen erfahren besondere Aufmerksamkeit und Förderung und – wenn sie die Anforderungen nicht erfüllen können – begleitende Unterstützung. |
Und er stellte ein Kind in ihre Mitte - dieser Satz aus dem Evangelium nach Markus steht sehr bewusst am Anfang unseres Schulprogramms, denn er ist beides, Basis und Ziel unserer schulischen Arbeit.
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Die Ausgangssituation
In einer Zeit, in der sich Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in ihren individuellen Voraussetzungen, ihrer Motivation und nicht zuletzt ihrem Lerntempo zunehmend unterscheiden, fällt es den Gymnasien nicht immer leicht, ihrem Bildungsauftrag für alle Schülerinnen und Schüler angemessen nachzukommen. Das liegt primär an den veränderten gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten, die Schulen vor ganz neue Heraus-forderungen stellen. Es gilt neue Schülergruppen mit z.T. disparaten Begabungen und Ausbildungsvoraussetzungen zu beschulen. Dabei bildet die Forderung nach zieldifferenter Inklusion nur die Spitze eines Eisberges. Lerngruppen von der Grundschule bis zum Abiturjahrgang werden immer heterogener.
Die Auflösung der Haupt- und Realschulen zugunsten der Sekundar- bzw. Gesamtschulen ist ein Signal dafür, dass ein Paradigmenwechsel vom dreigliedrigen zu einem tendenziell eingliedrigen Schulsystem durchaus gewollt ist. Das Gymnasium gerät angesichts dieser gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten immer stärker in Legitimationszwänge. Unbestreitbar ist, dass vorhandene gymnasiale Strukturen optimiert oder verändert werden müssen, damit das Gymnasium als gleichberechtigte Schulform seinem Bildungsauftrag und seiner Verantwortung für seine Schülerinnen und Schüler in vollem Umfang und auf hohem Niveau gerecht werden kann.
Die Überzeugung
Grundsätzlich lernen Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums zielgleich, denn ihre Schullaufbahn ist auf den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife gerichtet. Das heißt für die Hildegardis-Schule aber nicht zwingend, dass die Wege zum Abitur in der Schulform Gymnasium für alle gleich sein müssen.
Die Hildegardis-Schule fühlt sich seit langem der Individualisierung von Lernprozessen verpflichtet. Seit dem Schuljahr 2013/14 führt sie das landesweit einzigartige Schulentwicklungsvorhaben Individualisierung von Lernprozessen und Formaten der Leistungs-überprüfung in der Sekundarstufe II durch.
Nun soll die Individualisierung von Lernprozessen durch Maßnahmen der Differenzierung in der Mittelstufe ergänzt werden, um der erkennbaren Heterogenität gymnasialer Lerngruppen Rechnung zu tragen.
Der neue Weg: optimale Förderung durch weitere Differenzierung
Durch die ab der Jahrgangsstufe 7 einsetzende Differenzierung der Lerngruppen, die durch die partielle Einrichtung eines mit der Sekundarstufe II vergleichbaren Kurssystems möglich wird, durchlaufen die Schülerinnen und Schüler den gymnasialen Bildungsgang. Ein solches Angebot
- lässt eine bedarfsgerechtere Individualisierung auch im organisatorischen Rahmen der gymnasialen Mittelstufe zu,
- stellt eine institutionalisierte und effektive Form der Förderung und Forderung durch differenzierende und individualisierende Angebote für alle Schülerinnen und Schüler dar,
- fördert leistungsstärkere und leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler durch die Bildung homogenerer Kurse gleichermaßen,
- erleichtert zugleich die Integration von Flüchtlingskindern und Seiteneinsteigern anderer Schulformen in das gymnasiale Regelsystem,
- stellt alle Schülerinnen und Schüler trotz individualisierter Kurszuweisung vor identische Leistungsanforderungen,
- hilft die sich in der Erprobungsstufe abzeichnende zunehmende Diskrepanz zwischen leistungsstarken und -schwächeren Schülerinnen und Schülern bis zum Beginn der Sekundarstufe II ohne zusätzliche außerunterrichtliche Fördermaßnahmen zu überwinden.
In den Kurssystemen erhalten alle Schülerinnen und Schüler den in den Kernlehrplänen vorgeschriebenen Unterricht; die differenzierenden Kurse bereiten gleichermaßen auf den Besuch der gymnasialen Oberstufe vor und sind auch innerhalb ihres jeweiligen Leistungs-anspruches gleichwertig, d.h. die Beurteilung von Schülerleistungen erfolgt nach identischen Anforderungen und Kriterien.
Allerdings unterscheidet sich der Unterricht in den Fächern des Kurssystems insofern von dem im Klassenverband, als die Individualität und die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Kursmitglieder durch die Bildung homogenerer Kurse noch besser berücksichtigt werden können. Besonders begabte und motivierte Schülerinnen und Schüler erhalten durch ein höheres Lerntempo zusätzlichen Lerninput, in diesem Zeitraum kann dem Bedürfnis anderer Schülerinnen und Schülern mit einem größeren Unterrichtsanteil von Übungs- und Vertiefungsphasen entsprochen werden.
Zusätzlich erfolgt eine weitere individualisierende Fördermaßnahme derjenigen Schülerinnen und Schüler, die Defizite in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Französisch oder Latein aufweisen. In der Jahrgangsstufe 7 werden jeweils Trainingsstunden in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik, in den Jahrgangsstufen 8 bis 10 werden Trainingsstunden in allen der oben aufgelisteten Fächer angeboten.
Nach dem erfolgreichem Abschluss der Jahrgangsstufe 10 setzt sich der gymnasiale Bildungs-gang in der Sekundarstufe II in einem Kurssystem fort, das in der Qualifikationsphase durch Grund- und Leistungskurse weiterhin leistungsbezogene Differenzierungsmöglichkeiten bietet, dann aber auch durch die Einführung alternativer Leistungsformate einen noch stärkeren Akzent auf Individualisierung durch persönliche Interessen setzt.
Die so vorgenommene Individualisierung der Lernprozesse in der Mittelstufe ermöglicht eine passgenauere gymnasiale Beschulung und ist auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler abgestimmt. Sie schafft homogenere Lerngruppen, fördert gleicher-maßen Leistungsstarke und Leistungsschwächere und trägt auf unterschiedlicher Weise zur Bildungsgerechtigkeit bei.
Schließlich leistete die Hildegardis-Schule als private Ersatzschule einen weiteren Beitrag zur Schulentwicklung im Land NRW, wird der ministeriellen Forderung nach Weiterentwicklung des gymnasialen Bildungsganges gerecht, greift berechtigte Forderungen und Anregungen von Schülern, Eltern und Lehrern auf und dokumentiert die besonderen Möglichkeiten der Schulform Gymnasium innerhalb des nordrhein-westfälischen Schulsystems.
Individualisierung an der Hildegardis-Schule im Überblick
Oberstufe (E, Q1, Q2) dreijährig, ggf. Möglichkeit zum Überspringen der E Individualisierung durch
=> Individualisierung nach Interesse |
Mittelstufe
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Erprobungsstufe (5-6)
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Claudia Sommer
August 2023